Erdgas ist ein Gemisch von Kohlenwasserstoffen, Objekt des religiösen Kultes und der wissenschaftlichen Auseinandersetzungen und die wichtigste Rohstoffquelle. Es ist unsichtbar und geruchlos. In Russland gibt es mehr Erdgas als irgendwo sonst in der Welt.
Woraus besteht Erdgas
Der Hauptbestandteil von Erdgas ist Methan (CH4) — der einfachste Kohlenwasserstoff (eine organische Verbindung, die aus Kohlenstoff- und Kohlenwasserstoffatomen besteht). Gewöhnlich enthält Erdgas auch schwerere Kohlenwasserstoffe, Methan-Homologen: Ethan (C2H6), Propan (C3H8), Butan (C4H10) und einige Nichtkohlenwasserstoff-Beimischungen.
Erdgas kann in den als Gaslagerstätten dienenden Schichten gewisser Gesteine, als Gaskappen (über Erdöl) und auch in gelöster bzw. kristalliner Form vorliegen.
Gasgeruch
Es ist bemerkenswert, dass alle genannten Gase weder Farbe noch Geruch aufweisen. Mit dem penetranten spezifischen Geruch, dem so gut wie alle Menschen im Haushalt begegnen, wird Gas künstlich angereichert, dieser Prozess heißt Odorierung. Als Odoranten — penetrant riechende Stoffe — werden üblicherweise schwefelhaltige Verbindungen eingesetzt. Ein Mensch kann den Geruch eines der am meisten verbreiteten Odoranten — Ethanthiol — selbst dann bemerken, wenn nur eine einzige Einheit dieses Stoffes in 50 Millionen Einheiten Luft auftritt. Gerade dank der Odorierung kann man die Gasleckagen leicht ermitteln.
Phase der Zugabe eines
penetrant riechenden Odoranten
Erdgas ohne Geruch
Erdgas mit
penetrantem Geruch
Wissenschaftliche Auseinandersetzungen
Derzeit gibt es unter den Wissenschaftlern immer noch keine einheitliche Meinung über die Erdgasentstehung (wie übrigens auch über die Erdölentstehung). Zwei Grundkonzepte — das biogene und das abiotische — begründen verschiedene Ursachen für die Bildung der Kohlwasserstoff-Bodenschätze im Erdinneren.
Abiotische Theorie
Die Entstehung der Bodenschätze in den Schichten der Gesteine ist ein Teil der Erdentgasung. Die sehr tief liegenden Kohlenwasserstoffe kommen infolge der inneren Dynamik der Erde in den Niederdruckbereich und bilden als Folge Gas- und Erdöllagerstätten.
Biogene Theorie
Abgestorbene Lebewesen, die auf den Boden der Meeresbecken sanken, zerfielen im luftlosen Raum. Die Überreste der organischen Substanzen sanken infolge geologischer Bewegungen immer tiefer und verwandelten sich unter Temperatur- und Druckeinflüssen (Thermo-Bar- Einflussgrößen) in Kohlwasserstoff-Bodenschätze, zu denen auch Erdgas gehört.
Unsichtbare Poren
Ziemlich weit verbreitet ist die falsche Vorstellung, dass sich Gas unter der Erde in irgendwelchen Hohlräumen befindet, aus denen es in vollem Umfang leicht zu gewinnen ist. In Wirklichkeit kann sich Gas innerhalb von Gesteinen befinden, die eine solch kleinporige Struktur aufweisen, dass sie mit dem menschlichen Auge nicht zu sehen ist. Es ist recht schwer vorstellbar, dass in dem aus einer enorm großen Tiefe geholten Sandstein, den man in den Händen hält, Erdgas eingeschlossen ist.
Gasverehrung
Die Menschheit weiß von der Existenz von Erdgas schon seit langem. Obwohl man es aber in China schon im IV. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung für Heizung und Beleuchtung einzusetzen gelernt hat, blieb die grelle Flamme, die keine Asche hinterließ, lange Zeit Objekt des kabbalistischen und religiösen Kultes einiger Völker. Auf der Halbinsel Apscheron (das gegenwärtige Territorium von Aserbaidschan) wurde zum Beispiel ein Tempel der Feueranbeter — Ateschgyach — errichtet, in dem bis zum XIX. Jahrhundert Kultdienste stattfanden.
Übrigens hat man in der Nähe des Tempels Ateschgyach 1859 zum ersten Mal in Russland versucht, Erdgas zu industriellen Zwecken — in der Erdölraffinerie in Baku — einzusetzen (der Versuch war ziemlich kurzlebig).
«Thermolamp» und erstes Gas in Russland
Die Geschichte der russischen Gasindustrie beginnt 1811. Damals schuf der Erfinder Pjotr Sobolewskij die erste Anlage zur Erzeugung von künstlichem Gas — «Thermolamp». Nach seinem diesbezüglichen Vortrag in der Sitzung der Allrussischen Gesellschaft der Literaturliebhaber, der Wissenschaften und Künste wurde er für seine Erfindung auf Erlass von Alexander I. mit einem Orden ausgezeichnet. Und einige Jahre später, 1819, begannen auf der Aptekarskij Insel in S.-Petersburg die ersten Gaslaternen zu leuchten. So begann die Geschichte der russischen Gasindustrie vor fast 200 Jahren — 2011 war ihr Jubiläumsjahr.
Mitte der 20-er Jahre des XX. Jahrhunderts wurden in der ganzen UdSSR 227,7 Mio. Kubikmeter Gas ausgebeutet. 2010 wurden von der Gazprom-Gruppe 508,6 Mrd. Kubikmeter Gas ausgebeutet.
Russland nimmt weltweit den ersten Platz nach dem Volumen der Erdgasvorräte ein. 70% davon entfallen auf Gazprom. Somit verfügt Gazprom über die weltweit reichsten Erdgasvorräte.
Zu Beginn des XX. Jahrhunderts begann sich die russische Gasindustrie aktiv zu entwickeln: es wurden erstmalig die Gasvorkommen erschlossen und das Begleitgas (Erdölbegleitgas) nutzbar gemacht.
Russischer Scharfsinn
Vor dem XX. Jahrhundert war aber Erdgas in Russland ein Nebenprodukt bei der Erdölgewinnung und hieß deswegen Begleitgas. Sogar die Begriffe «Gasvorkommen» bzw. «Gaskondensat-Vorkommen» existierten nicht. Diese Vorkommen wurden zufällig entdeckt, z.B. bei Bohrungen artesischer Brunnen. Allerdings ist ein Vorfall bekannt, als ein findiger Kaufmann aus Saratow während der Bohrung eines solchen Brunnens statt Wasser eine Flamme gesehen und an dieser Stelle ein Glaswerk und ein Ziegelwerk gebaut hat. Die Industrieunternehmer wurden sich allmählich bewusst, dass Erdgas äußerst nützlich sein kann.
Der Zustand von Gaspipelines wird ständig kontrolliert. Den Menschen helfen dabei die High-Tech-«Pigs», die durch die Rohre in schwer zugänglichen Bereichen kriechen.
Es gibt weltweit kein einheitliches System für die Einstufung der Kohlenwasserstoff-Vorräte, jedoch gibt es einige angenommene Standards dafür. Russland hat sein System vor einiger Zeit daran angepasst.